Die neue Welt der Markenkommunikation

Prof. Dr. Torsten Tomczak, Universität St.Gallen, im Interview

Die Art und Weise, wie Marken und Kunden miteinander interagieren, hat sich in den letzten 15 Jahren radikal verändert. „Die gängigen Prinzipien erfolgreicher Markenkommunikation werden auf den Kopf gestellt“, meint der Marketing-Experte Dr. Torsten Tomczak von der Universität St.Gallen. Neue Ansätze und Strategien dazu werden beim Schweizer Markenkongress in Zürich vorgestellt. Im Interview spricht Tomczak über „Jedermann“ als selbsternannter Markenbotschafter, das Ende des autokratischen Führungsverständnis und die Rolle von externen Stakeholder für die eigene Idee.

Was sind die bedeutendsten Veränderungen in der Interaktion zwischen Marken und Konsumenten?
Tomczak:
Die Veränderungen finden auf zwei Dimensionen statt. Zum einen geht es darum, wie und wo Marken erlebt werden. Hier gilt es, das Spannungsfeld zwischen High-Tech und High-Touch, zwischen digitalisierter, medialer und physisch nahbarer, direkter Begegnung optimal im Sinne der Marke zu gestalten. Zum anderen müssen Unternehmen damit umgehen können, dass nicht nur sie – als Legal Owner einer Marke – Markenbotschaften senden, sondern dass heutzutage potenziell jeder Mensch die Ressourcen und Fähigkeiten besitzt, um als selbsternannter Markenbotschafter zu agieren. Dass solche Markenbotschafter immer im Sinne des «Legal Owners» einer Marke kommunizieren, ist allerdings eher unwahrscheinlich und stellt daher eine der grössten Herausforderungen für das Markenmanagement dar.

Welche Anforderungen stellt das an die Führung von Marken?
Tomczak:
Markenmanagement muss heutzutage in der Lage sein, zwei im Prinzip diametral entgegengesetzte Führungsstile zu vereinen. Zum einen müssen Marken selbstverständlich – wie in der Vergangenheit -  als handlungsbestimmende Protagonisten auftreten. Das Markenmanagement muss klassische Führungsstärke zeigen und identitätsbewusst seine Markenvision durchsetzen. Ein solche Führungsphilosophie entspricht dem Prinzip des «Command & Control». Entwicklungen wie «Programmatic Advertising», Psychographic Microtargeting» etc. stützen dieses Führungsverständnis. In einer Welt, die immer mehr von Mega-, Macro-, Micro- und Nano-Influencern bevölkert wird, führt ein solch ausschliesslich autokratisches Führungsverständnis ins Abseits. Zunehmend wird es matchentscheidend sein, externe Stakeholder für die eigene Idee und deren Umsetzung zu gewinnen. Ein partizipativer Führungsansatz, der dem Prinzip des «Involve & Inspire» folgt, ist gefordert.

Was bedeutet das für die Organisation des Markenmanagements in den Unternehmen?
Tomczak:
Es wird anspruchsvoller. Den Unternehmen muss es gelingen, sehr unterschiedliche Führungsstile in einer Organisation zu integrieren. «Designer» werden gebraucht, die Markenikonen schaffen, indem sie sensorische Fähigkeiten mit der autokratischen Umsetzung eines Entwurfs verbinden. Um Markenstories packend zu erzählen, werden «Regisseure» benötigt, die mit hoher medialer Kompetenz ein dramaturgisch entwickeltes Konzept umsetzen. Um Markenerlebniswelten mit Leben zu füllen, werden «Gastgeber» gesucht, die in der Lage sind, zusammen mit ihren Gästen eine besondere gemeinschaftliche Atmosphäre zu schaffen. Zudem braucht es «Moderatoren», die in der Lage sind, einen medialen Diskurs mit externen Stakeholdern zu organisieren und subtil zu lenken.